Beim ersten Telefonkontakt wird die Philosophie von MediCar sofort klar: „Wir transportieren keine Schwerbehinderten, sondern fahren „Schwer-in-Ordnung-Menschen“. Das hat uns gleich schwer beeindruckt. Das schleswig-holsteinische Unternehmen ist auf die Mobilität von — wie es leider immer noch heißt — körperlich und geistig „behinderten“ Menschen spezialisiert. Außerdem befördert es regelmäßig Schülerinnen und Schüler hin und her.
Der MediCar-Slogan ’Menschen, die bewegen‘ ist gleichzeitig Leitspruch und lässt sich auf mehrere Arten lesen.
Der MediCar-Slogan „Menschen, die bewegen” ist gleichzeitig Leitspruch und lässt sich auf mehrere Arten lesen. Er macht deutlich: Hier geht es nicht nur um Fahrdienstleistungen, sondern um menschliche Interaktion. „Das Wort „behindert” ist negativ behaftet und darum sprechen wir bei uns offiziell von Menschen mıt Beeinträchtigung”, erklärt Mitgründer und Geschäftsführer Horst Joerß (48). Seine Fahrerinnen und Fahrer können mehr als andere. Sie werden zusätzlich geschult in Sachen Erste-Hilfe, dem Verhalten bei Krampfanfällen oder dem Tragen und Sichern von Fahrgästen im Rollstuhl.
Wer schon länger dabei ist, besitzt viel Erfahrung im Umgang mit Menschen und den verschiedensten Beeinträchtigungen.
Wer schon länger dabei ist, besitzt viel Erfahrung im Umgang mit Menschen und den verschiedensten Beeinträchtigungen. Und wer sich bei MediCar um einen Arbeitsplatz bewirbt, der muss neben den üblichen Qualıfikatıonen eıne soziale Einstellung mitbringen, sonst passt er nicht ins Team. Einfühlsamkeit und die Fähigkeit des Zuhörens sind ebenfalls gefragt.
Die Erfolgsgeschichte von MediCar begann 1998
Die Erfolgsgeschichte von MediCar begann 1998, als der frisch ausgebildete Betriebswirt Joerß den gelernten Erzieher Tobias Hohmann kennenlernte. Hohmann hatte bereits Erfahrungen im Fahrdienst für das „Deutsche Rote Kreuz (DRK)” in Neumünster gesammelt und beide kamen ins Gespräch. Daraus entwickelte sich die Idee für ein Startup. Hintergrund: Vor Ort gab es gerade eıne Ausschreibung. Eine Behindertenwerkstatt war unzufrieden mit dem zuständigen Transportdienst und auch das regionale Taxiunternehmen leistete keine gute Arbeit. Joerß und Hohmann schrieben kurzerhand ein Konzept. Sie erhielten den Zuschlag, nahmen einen Kredit auf und gründeten ihr eigenes Unternehmen. Zunächst zählten nur drei Angestellte dazu.
Heute gehören 150 Mitarbeitende zum Team
„Heute gehören 150 Mitglieder zum Team und alle arbeiten miteinander statt gegeneinander“, sagt Joerß zufrieden. „Natürlich gibt es auch mal Probleme, aber die werden schnell gelöst, darum wird sich gekümmert.” Die Investition in das gute Miteinander zahlt sich aus: Die Fluktuation ist gering. Viele aus dem Team sind schon lange dabei. Neben der Unternehmenszentrale in Neumünster gibt es drei Zweigstellen: in Kiel, Flensburg und Ost-Holstein. Auftraggeber sind Kreise, Kommunen, Einrichtungen, wie Seniorenheime oder Tagesstätten, und Privatkunden.
Die 120 Fahrzeuge umfassende Flotte wird zu 90 Prozent mit tankpool24-Diesel betrieben
Der variable Fuhrpark umfasst 120 Fahrzeuge vom Pkw über das Rollstuhlfahrzeug bis zum Kraftomnibus. Die Flotte wird zu 90 Prozent mit tankpool24-Diesel betrieben und ist so bestens für bundesweite Fahrten gerüstet. Obwohl es durchaus vorkommt, dass eine Schulklasse im MediCar-Bus die Landesgrenze überquert: Die meisten Fahrten finden innerhalb Schleswig- Holsteins statt, man operiert bewusst nur hier.
Bei den regelmäßigen Transporten sind bereits diverse Freundschaften entstanden.
Bei den regelmäßigen Transporten mit festem Fahrer oder fester Fahrerin sind bereits diverse Freundschaften entstanden. Horst Joerß fällt eine besondere Geschichte ein: „Eine Kundin, die wir schon mehr als 22 Jahre kennen, die wir zur Schule und später zur Ausbildung gefahren haben, arbeitet heute bei uns im Team, Alina hilft halbtags in unserer Verwaltung in Kiel mit, im Bereich Lohnabrechnung.“ Der Unternehmer schildert, wie sein Partner Tobias Hohmann im Jahr 1997 Alina kennenlernte, als er seinen Zivildienst beim DRK absolvierte. Sie ist auf einen Elektrorollstuhl und Hilfe im Alltag angewiesen. Nach der Schule absolvierte sie eine Ausbildung mit Schwerpunkt Buchhaltung und der Kontakt zu MediCar riss nie wirklich ab. Seit 2015 bereichert sie das Team mit ihrem einnehmenden Wesen und ist dabei kein Ausnahmefall. „Etwa acht bis neun Prozent unserer Angestellten haben eine Beeinträchtigung“, berichtet Joerß.
Die Corona-Pandemie stellt auch für sein Unternehmen eıne Herausforderung dar
Die Corona-Pandemie stellt auch für sein Unternehmen eıne Herausforderung dar. Die regelmäßig stattfindenden Fahrer-Meetings sind nach wie vor eingeschränkt, Kurzarbeit war am Anfang für alle Realität. „Seit dem 1. August sind wir da zum Glück ganz raus”, freut sich Joerß. Seine Erleichterung ist spürbar. Doch sie mischt sich mit der Sorge, dass es womöglıch wieder zu Schulschließungen kommt und „der ganze Mist” von vorne losgeht. In Schleswig-Holstein sind die Infektionszahlen bislang noch relativ gering und der Unternehmer hat dafür eine eigene Erklärung.
Der Schleswig-Holsteiner hat eine Wohlfühlzone von vier Metern Abstand, warum soll er die auf zwei Meter reduzieren?
„Wir haben ja sowieso einen Gewohnheitsabstand von vier Metern ın Schleswig-Holstein“, lacht Joerß. Und mit einem Augenzwinkern schiebt er hinterher: „Der Schleswig-Holsteiner hat eine Wohlfühlzone von vier Metern Abstand, warum soll er dıe auf zweı Meter reduzieren?”
Im Kern geht es darum, die Schwächeren zu schützen.
Dann wird der Geschäftsführer wieder sachlich. Für all jene, die sich nicht an die Abstandsregeln halten, fehlt ihm das Verständnis. „Die Leute müssen das jetzt ernst nehmen. Das soll nicht nach hinten losgehen, es hängen da wirklich Existenzen und Jobs dran. Wenn es wieder zu Einschränkungen kommt, dann sind einige Branchen komplett hinüber,“ Joerß betont, dass es außerdem im Kern darum geht, die Schwächeren zu schützen. Seiner Meinung nach wird das von einigen zu leicht vergessen. „Gerade unsere Klientel in den Werkstätten ist da schon besonders schutzbedürftig und schützenswert“, unterstreicht der MediCar Chef. So viel ist klar: Für sein Team steht der Mensch im Mittelpunkt. Es trägt täglich zum Schutz der Fahrgäste bei und bewegt sie sicher — auch in Zeiten wie diesen.
Im November veröffentlichte das Magazin inside24 ein Interview mit dem MediCar Geschäftsführer Horst Rainer Joerß. Die tankpool24 ist Herausgeberin des Magazins und führt im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeiten immer wieder Interviews mit ihren Geschäftspartnern und Kunden.
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