“Anschub’17” war eine Initiative mit der die für uns zuständige Industrie- und Handelskammer als Vertretung der Wirtschaft, Politikern ihre Positionen zu den Wahlen in Kiel und Berlin nahebringen wollte. Aus diesem Grund waren die Unternehmen aufgefordert ihre Gesprächsbereitschaft zu signalisieren und auf politisches Gegeninteresse zu hoffen.
Herr Murat Birkandan vom Bündnis 90/Die Grünen hatte schlussendlich Interesse daran, die Arbeit in unserem Fahrdienst näher zu betrachten. Nach einem kurzen Kennenlerngespräch stieg man direkt in die praktische Arbeit ein. Herr Birkandan (Bild: Mitte) und der Geschäftsführer Tobias Hohmann (Bild: Rechts) begleiteten den Kollegen Wolfgang Matzko (Bild: Links) auf einer sogenannten “Entlassungsfahrt”. Ein Patient musste mit dem Rollstuhl aus dem örtlichen Krankenhaus in ein Seniorenheim befördert werden. Erfreulicherweise verlief die Tour wie im Bilderbuch. Anschließend wurden beide wieder in der Zentrale abgesetzt.
Dort angekommen erklärte Tobias Hohmann, welche Stationen vom Auftragseingang bis zur Abrechnung einer Tour durchlaufen werden. Herr Birkandan staunte nicht schlecht, dass diese Fahrten nicht nach dem tatsächlichen Aufwand, sondern durch die von den Kassen diktierten Pauschalen bezahlt werden — die häufig leider nicht mal zur Kostendeckung reichen. Hier brauchte auch Herr Birkandan — selbst Unternehmer — nicht lange um festzustellen, dass diese Fahrten nur durch andere Aufträge subventioniert werden können. Herr Hohmann erklärte, dass dieser Zustand zukünftig unbedingt verändert werden muss und jeglich investierte Arbeitszeit eines Mitarbeiters auch entsprechend vergütet werden muss. Dies festzulegen, sei schlussendlich auch eine Aufgabe der Politik. Die Politik dürfte auf der einen Seite nicht einen Tariftreuelohn festlegen, auf der anderen Seite aber zulassen, dass die Preise gedrückt werden.
Ein weiteres Thema waren “Europäische Ausschreibungen”, die in diesem Sektor aus ganzheitlicher und gesellschaftlicher Sicht als eher schädlich anzusehen sind. Überall da, wo Schülerbeförderungen ausgeschrieben werden, wird häufig auch eine funktionierende Infrastruktur für Rollstuhlfahrer zerstört. Ein Fahrdienst kann nur durch die Verknüpfung verschiedenster Verkehre existieren. Um eine stetige Auslastung zu schaffen, sind regelmäßige Einnahmen, z.B. durch öffentliche Träger unabdingbar. In den zeitlichen Zwischenräumen entsteht Platz für Arzt- und Seniorenfahrten, Privatfahrten für Rollstuhlfahrer, Ausflüge mit Seniorenheimen, usw. Wird diese Basis durch Ausschreibungen genommen, so fehlt häufig die Existenzgrundlage für den reinen Fahrdienst für beeinträchtigte Menschen. Auf dem “Schülerbeförderungsmarkt” entsteht derzeit ein Verdrängungswettbewerb, wobei viele dieser Anbieter überhaupt nicht daran interessiert sind, ein Mobilitätsnetzwerk für beeinträchtigte Menschen aufrecht zu erhalten. Hier gilt wie in vielen Wirtschaftsbetrieben, die Idee der Gewinnmaximierung. Durch die reine Schülerbeförderung wird der lukrative Bereich abgeschöpft, das kostenaufwendige Mobilitätsangebot für beeinträchtige Menschen dagegen vollständig vernachlässigt. Herr Hohmann erklärt, dass sich das Unternehmen sehr wünschen würde, dass in der Politik auch über den Tellerrand geschaut wird. Es kann nie nur ein einzelnes Element gesehen werden, man muss die Dinge auch immer im Gesamtkontext betrachten.
Ein weiteres Thema war die Elektromobilität. Wie lange wird es noch Dieselfahrzeuge geben? Welche Alternativen gibt es bereits auf dem Markt? Für Kurzstrecken mag es im PKW Bereich bereits ein paar Lösungen geben. Im Nutzfahrzeugbereich sind bisher keine ernstzunehmenden Angebote auf dem Markt. Bei einer kombinierten Nutzung im städtischen und außerstädtischen Bereich, ist eine Reichweite von unter 500 km vollkommen unpraktisch, zumal die Infrasturktur in Sachen E‑Mobilität noch deutlich ausgebaut werden müsste.
Am Ende bleibt zusagen, dass das Treffen ein guter Austausch war. Herr Birkandan hat selbst feststellen können, mit welchen Herausforderungen man als Fahrdienst zu kämpfen hat. Zitat: “Es ist schon was anderes, in einer Firma zu sein und zu sehen, welche Aufgaben genau bewältigt werden. Vielen Dank für die Zeit und die Einblicke.”
Auch wir möchten uns ganz herzlich bei Herrn Murat Birkandan bedanken. Er hat uns seinerseits die politische Sichtweise erklärt und näher gebracht. Am Ende wird der Erfolg in einer Zusammenarbeit und in einem guten Austausch liegen.
Miteinander zu arbeiten, fair zu einander zu sein, auf einem gleichberechtigten Niveau zu diskutieren und die Fähigkeit über den Tellerrand hinausschauen zu können, dass ist unser Wunsch und unser unternehmerisches Ziel in der künftigen Zusammenarbeit.